1923/24: Meisterschaft der A-Klasse im Gau Ried

Im Zuge der Neuorganisation innerhalb des Süddeutschen Fußballverbandes wurde im Jahr 1923 der Gau Bergstrasse, der sich über ganz Südhessen erstreckte, geteilt. Die Riedvereine wurden in einen eigenständigen Gau Ried zusammengefasst. Mit anderen Worten: Aus dem ehemaligen Westteil des Gaues Bergstrasse wurde ab der Saison 1923/24 der eigenständige Gau Ried.

Die A-Klasse in diesem Gau war zweigeteilt. In der Abteilung I wurde die SpVgg Amicitia 09 Viernheim Meister, in der Abteilung II fiel die Meisterschaft an den FC Concordia 1910 Gernsheim. Beide Vereine mußten nun um die Gesamtmeisterschaft = die Gaumeisterschaft spielen. Das Hinspiel gewann Viernheim am 27. April 1924 mit 6-1, und das Rückspiel am 11. Mai 1924 in Gernsheim endete 12-0 für die Viernheimer. Einer Tageszeitung entnehmen wir folgenden Spielbericht:

Mit dem Bombenresultat von 12:0 beendete am vorgestrigen Sonntage Sportvereinigung in dem harten Treffen gegen Gernsheim in Gernsheim seine Gaumeisterschaftsspiele und ist somit ungeschlagen mit 4 Punkten und einer Torzahl von 18:1 Meister des Gaues Ried. Nach dem Vorspiele in Viernheim geurteilt, das mit 6:1 gewonnen wurde, hatte wohl ein jeder mit einem etwas knappen Siege gerechnet, doch alle noch so gut und schlecht gemeinten „Tipps“ fielen ins Wasser, denn die „Vereinigten“ spielten ihren Fußball, den sie können wenn sie wollen, ihren hochklassischen Ligafußball. Der von Mann zu Mann wandernde Ball wurde in flachem Paßspiel und steilen Flügelvorlagen buchstäblich vor die Tore getragen, wo es den Torschützen zum Teil in Leichtes war, mühelos einzuschießen. So konnte Jäger 6, Gölz 4 und die beiden Bergmänner je 1 mal einsenden, sodaß zum Schluß das volle Dutzend herauskam. Daß dies die Gernsheimer, mehr das schreiende Publikum als die Spieler noch, auf deutsch gesagt nicht „verdauen“ konnten, zumal Gernsheim in der letzten Zeit auf eigenem Platze keine Niederlage erlitten hatte, so ist dies bis zu einem gewissen Grade noch zu verstehen, bis zu dem Grade nämlich, wo das Publikum nur sich durch dauerndes Schreien von „Abseits“, „Faul“ usw. bemerkbar macht, doch was man hier während und nach dem Spiele sah, ähnelte mehr dem Loslassen von wilden Tieren, und es war lediglich dem Anstand und Sportsinn einiger beherzter Männer von Gernsheim zu verdanken, daß nicht der Schiedsrichter samt unserer Mannschaft, von einigen Stockhieben abgesehen, regelrecht verprügelt wurden. Nun, die Gaubehörde war ja anwesend und wird sich sicher ihre notwendigen Notizen gemacht haben.

 

Der Spielverlauf: Viernheim erhält Gegenwind. Gernsheim stößt an, doch schon hat ihn Schmitt, der zu Gölz gibt, ein rasanter Flankenlauf und der nächste Augenblick sieht seinen scharfen Schuß haarscharf über die Latte gehen. Der Anstoß bringt den Ball vor die Viernheimer Verteidigung, die brillant klärt. Gölz läuft der Linie entlang, umspielt in feiner Manier die Verteidigung, flankt flach zur Mitte und Jäger schießt ein, somit den Torreigen eröffnend. Ein wunderbares Spiel vonseiten 09 erfolgt. Gernsheim versucht wieder mit Abseitsstellung Erfolge zu verhindern, doch die „Grünen“ merken es und geben nur Steilvorlagen. So erfaßt Jäger in der 8. Minute, in der Mitte stehend, das Leder, ein rasender Lauf und über dem herauslaufenden Torwart hinweg landet der Ball im Tor, 2:0. Zwei Minuten später ! Haas Ph., der gänzend spielende Mittelläufer, gibt nach links, König läuft durch und flankt aufs Tor, der scharfe Schuß springt am Torwächter ab, doch Gölz ist da und zum drittenmale hängt das Leder in den Maschen. Das ist zuviel für Gernsheim. Ohrenbetäubender Lärm erhebt sich und man dringt in den Platz. Doch es geht weiter. Der Platzbesitzer arbeitet mit Hochdruck und gibt den Ton an. Schmitt im Tor bekommt Gelegenheit, sein Können zu zeigen. So hält er in der 14. und 16. Minute zwei todsichere Torschüsse, doch schon die 18. Minute bringt wieder Luft. Kiß befreit mit wuchtigem Schlage, Träger wechselt zu Gölz, der mit Bombenschuß Nummer 4 schießt. Wieder kommt der Platzbesitzer vor., doch Haas A unterbindet alles. In der 30. Minute entscheidet infolge „Faul“Spielen im Strafraum der Schiedsrichter Elfmeter gegen Viernheim. Fein getreten, meistert ihn jedoch Schmitt und befördert ihn nach vorn. Aber alle Ansätze der „Grünen“ zum Durchbruch werden mit Gebrüll des Publikums und der Spieler unterbunden, jedoch können sie nicht verhindern, daß Gölz in der 43. Minute sich durchspielt. Im Strafraum durch „Faul“ zu Fall gebracht, gibt es auch hier einen „Elfer“, den Bergmann H. sicher in die Ecke plazierte. 5:0, Halbzeit.

 

Nach Wiederbeginn nimmt Vereinigung das Heft vollständig in die Hand. In der 3. Minute schon hat Gölz ein 6:0 geschaffen und in der 5., 12., 19. und 28. Minute konnte Jäger sein Halbdutzend, teils durch Einzelgang, aber auch durch schöne Vorlagen von Schmitt, und Bergmann vollmachen. In der 31. Minute fiel durch Gölz das schönste Tor des Tages, und die 36. Minute brachte den 12. Torschuß durch Bergmann J. . Unschöne Handlungen vonnseiten der Gernsheimer kennzeichneten die letzten Minuten und beim Schlußpfiff wurde es noch toller. Wie schon erwähnt, gelang es jedoch, den Schiedsrichter und unsere Elf zu beschützen. Gernsheim hatte sich eine solche Niederlage wohl nicht erträumt. Doch sind sie zum Teil selbst daran Schuld, indem ihr ganzes System im „Abseits“stellen zu suchen ist, wodurch sie keine Tore erzielen, aber bei einer gutspielenden Mannschaft reichlich bekommen. Viernheim zeigte ein gutes, wohlgefälliges Spiel, die ganze Mannschaft spielte wie aus einem Guß, sodaß kein Einzelner zu loben oder zu tadeln wäre.

 

In Viernheim errang sich vor ungefähr 1200 Zuschauern auch die 2. Mannschaft die Gaumeisterschaft, indem sie ihren Gegner FV 1919 Biblis mit dem beachtenswerten Resultat von 6:1 nach Hause schickte. Da die 3. Mannschaft, wie bekannt, schon Meister war, so kann man der „Vereinigung“ zur Erringung von 3 Meisterschaften nur gratulieren. „Glück auf“ zum Kreismeister.

 

 

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